Blutige Weide

5763 1 1

Natürlich will Vater persönlich zu dem Hof reiten um sich die Sache anzusehen. Hoffentlich macht er sich nicht zu viele Sorgen, darüber, dass er die Burg verlässt. Pater Albertus und Grethe kommen schon einen halben Tag lang alleine mit besorgten Menschen zurecht, vor allem, wenn die besorgten Leute glauben, dass der Burgherr unterwegs ist, das Problem zu lösen.
Zumindest sind sie unterwegs, sich das Problem anzusehen.

Es ist ungewöhnlich, dass ein Mädchen reiten lernt. Und ehrlich gesagt hätte Thea auch gut darauf verzichten können, wenn es eine Alternative gäbe. Pferde sind groß und nervös, sie sorgen dafür, dass einem die Beine verkrampfen und sie riechen nach Pferd.
Thea versucht gerade im Sattel zu sitzen, die Hände nicht um die Zügel zu krampfen und mit der Bewegung des Tieres mit zu gehen, aber als ihr Vater und Bruder neben einem kräftigen Burschen mit Strohhut endlich ihre Rösser zügeln, schmerzt ihr Rücken und ihr Hintern fühlt sich taub an.
Während die beiden Gerwaldte elegant aus dem Sattel springen, rafft sie ungelenk ihr Kleid zusammen und klammert sich am Sattelknauf fest.
Früher hat Vater sie aus dem Sattel gehoben, aber sie ist schließlich fast vierzehn und kein Kind mehr. Außerdem wäre das peinlich vor dem Burschen. Er hat ein freundliches Gesicht und Grübchen.
So, vorsichtig das Gewicht auf den Steigbügel verlagern. Das Bein über den Hintern des Pferds hinweg ziehen - ihr Kleid bleibt am Sattelgurt hängen. Ein vorsichtiger Ruck und ihr Bein ist frei, aber jetzt hat sie mehr Schwung als beabsichtigt und schwankt auf dem Steigbügel hin und her. Zeit die Würde fahren zu lassen. Sie klammert sich am Sattel fest, löst den Fuß aus dem Steigbügel und lässt sich neben dem Braunen herab plumpsen.
Sie klopft sich den Staub vom Gewand und friemelt ihre Stirnlocken zurück unter die Haube um wenigstens so zu tun als könne sie ihr Aussehen nach einem langen Ritt in Ordnung bringen. Sie sind noch nicht einmal zurück in der Burg und sie bräuchte eigentlich schon ein Bad.

"Hier entlang, bitte, Herr!", er stockt kurz, lächelt Thea verunsichert zu und fügt hinzu "Herrin!"
Sie strafft ihren Rücken und versucht möglichst wohlwollend zurück zu lächeln: "Wie heißt du?"
"Helmholdt, Herrin. Helmholdts Sohn."
Ah. Eigentlich würde es reichen, wenn die Männer in dieser Gegend dazu sagen, wenn sie nicht so heißen wie ihr Vater. Aber wenigstens findet man durch diese schöne Tradition auch noch zwei Generationen später den richtigen Hof.

Die Schafweiden an denen Helmholdt mit den freundlichen Grübchen, sie entlang führt, sind eigentlich keine Weiden in dem Sinne. Jetzt im Spätherbst fressen die Schafe das Unkraut das sich auf den abgeernteten Äckern breit machen will und hinterlassen Dünger.
Außerhalb der Burgmauern ist der Wind eiskalt und ein wenig wünscht Thea sich das warme Pferd an die Beine zurück, als sie den Rocksaum hebt damit ihr Wollkleid nicht ebenfalls gedüngt wird.
Vater ist eigentlich nicht wirklich größer als Helmholdt, aber seine Haltung lässt ihn größer erscheinen und er schreitet forsch und in zielstrebiger Eile voraus, dass der jüngere Mann zwischendurch immer zwei Schritte rennt um nicht von dem Baron abgehängt zu werden, dem er den Weg zeigen soll. In der Sonne schimmert das dunkelbraune Haar des Barons rötlich. Ihr Bruder hat dagegen schwarzes, gewelltes Haar wie sie selbst. Er trägt den schwarzen Umhang mit der roten Borte, der Vaters gleicht, aber er macht darin keine besonders gute Figur. Seine Beine bewegen sich ein wenig zu viel, wenn er geht, als pendeln sie unter dem schlacksigen Jungenkörper hin und her ohne so recht zu wissen wohin. Es fällt schwer, ihn sich als Baron vorzustellen.

Helmholdt bleibt stehen.
"Da vorne.", haucht er und macht eine hastige Handbewegung.
Sie wäre nicht nötig gewesen.
Freiherr zu Wyrmstein, der junge Gerwaldt und die junge Freiin stehen schweigend vor dem letzten der Weideacker.
Thea hat schon oft genug in der Küche geholfen, dass der Anblick von Schafeingeweiden ihr nichts mehr anhaben kann. Die Maden allerdings sind eine ganz andere Sache. Wahrscheinlich träumt sie noch Wochen später von aufgequollenen Zungen auf denen sich weißlicher Belag windet.
Krähen, Raben und ein paar andere Vögel sitzen auf und in den Kadavern.
Sie hört ihren Bruder neben sich ein sehr passendes Würgegeräusch unterdrücken als ein Rabe auf dem Kopf des Tieres landet, dass ihnen am nächsten liegt und in der Augenhöhle herumpickt. Den Leckerbissen haben allerdings längst andere verspeist.
Thea nimmt die Hand aus der Schürzentasche und tastet nach Gerwaldts Hand. Sie bebt ganz leicht und sie drückt sie kurz, bevor sie loslässt um ihn nicht vor einem Untergebenen zu beschämen.
Vater lässt einen finsteren Blick über den grausigen Acker schweifen, dann kniet er sich neben dem Schaf nieder, bedacht es nicht zu berühren.
"Das müssen sehr lange Klauen gewesen sein.", verkündet er steif, "Und Zähne auch, nach dem Bein hier zu urteilen. Sieht der Rest genauso aus?"
 Helmholdt nickt. "Die halbe Herde haben sie verloren, Herr. Alles Mastschafe. Teil ist weggelaufen. Nicht, dass die übrig Gebliebenen ihnen noch etwas nutzen." Er dreht den Strohhut in seinen Händen herum als könne er sich nicht entscheiden, welche Seite am wenigsten zerfranst ist. "Herr...?"
Vater steht auf und tritt vom Kadaver zurück um sich als nächstes den zerborstenen Zaun zu besehen. Er bedeutet dem jüngeren Mann mit einer knappen Geste fortzufahren. "Frag."
Der kreiselnde Hut stoppt als er in eine ovale Form gedrückt wird. "Stimmt es, dass Hexen schuld sind? Sie sind doch alle fort, oder? Das Reich hat sie alle geschnappt."
Der Strohhut knirscht und knistert unter der unsanften Behandlung.
Der Baron schüttelt den Kopf.
"Soweit ich weiß haben Hexen keine langen Reißzähne. Lasst euch nicht von Geschichten und Gerüchten ängstigen. Was auch immer es für eine Kreatur war, ich werde dafür sorgen, sie in meinem Land kein Unwesen mehr treibt."
Helmholdt nickt betrübt.
Vielleicht ziehen in seinem Geist gerade alle Gerüchte und Geschichten vorbei, die ihm jemals Angst gemacht haben und er fragt sich, welche davon hierauf zutrifft.
Als Thea zu ihm geht, hellt sein Blick sich ein wenig auf.
"Keine Sorge. Das Untier ist in den Wald gelaufen.", behauptet sie kühn und mit soviel Zuversicht wie ihr angebracht erscheint, "sonst hätte man es auch noch in einem anderen Ort gesehen. Aus dem Wyrmwald kommt es so schnell nicht wieder raus." Sie deutet auf die schwarze Wand aus Nadelbäumen, die vorm Novemberhimmel aufragt. Hoffentlich behält sie recht. Die Furcht schwappt von dem jungen Mann weg wie Wellen in einem Teich. Wenn es den anderen auch so geht steht es nicht gut um den Frieden auf den Ländereien.
Am anderen Ende der Ackerweide ist der Zaun ebenfalls zerbrochen. Als hätte jemand ihn niedergeritten oder als sei ein wild gewordener Ochse hindurch geprescht. An der Lücke entdeckt sie zwei dünne Hunde. Hütehunde mit schmalen Schnauzen und dichtem Fell. Einer kaut an einem grün-grauen etwas herum, das ein Ast oder ein uralter Knochen sein könnte, der andere schleicht mit angelegten Ohren am Zaun herum.
Thea wendet sich wieder an Helmholdt.
"Die Hunde", fragt sie langsam, "warum haben sie die Kadaver nicht auseinander gezerrt? Sind sie so gut erzogen?"
"Sie rühren das Fleisch nicht an.", flüstert Helmholdt.
Oh. Nicht gut. Sie wirft einen besorgten Blick zu ihrem Vater. Er nickt düster, er hat es gehört.
Sie schenkt Helmholdt ein mitfühlendes Lächeln.
"Wenn du möchtest, kannst du gehen und am Hof auf uns warten."
Die Erleichterung in seinem Gesicht währt nur bis zu dem Augenblick wo sie den Hof erwähnt.
Er schüttelt den Kopf. "Nein, Herrin, nichts für ungut, aber auf den Hof gehe ich lieber nur solange es Not tut, wenn es euch Recht ist."
Ihr Lächeln bleibt, aber es ist ein wenig schwieriger, es aufzubehalten.
"Na gut. Aber ich bin froh, wenn ich dem Wind entkomme."

 

Die Wohnung ist von Möbeln und Gebrauchsgegenständen leer geräumt. Wertgegenstände im engeren Sinne gibt es in solchen Häusern nicht, aber die pragmatische Sorte Leute, die hier draußen wohnt hätten trotzdem zu allererst die Töpfe und Mistgabeln mitgenommen bevor sie den Schmuck anrühren.
Vater schüttelt den Kopf über zwei Männer, die eilig einen Karren mit Dachschindeln fort schieben. Er duldet die Plünderung nur widerwillig weil sie sich um Wichtigeres kümmern müssen.
Aber sollen sie doch die Sachen mitnehmen. Die Kinder können erst in ein paar Jahren etwas damit anfangen und es wird ebensolange dauern, bis den Hof wieder jemand bewirtschaften will. Den zu verlieren ist ein herber Schlag. Ebenso die Mastschafe. Aber sie können die Leute nicht zwingen in einem Haus zu wohnen, indem etwas Unnatürliches umgegangen ist.
Thea widersteht dem Drang, das Kreuz zu schlagen, weil Menschen in der Nähe sind, die sie nicht ängstigen will, aber beim Anblick des leeren Hauses wird ihr schon etwas mulmig. Gerwaldt ist immer noch blass, aber ihm haben die toten Tiere schlimmer zugesetzt als diese bedrückende Stille die über den beiden Gebäuden lastet.
Hätte die Haustür Angeln gehabt wären die wahrscheinlich ebenfalls längst weg, aber die einfache Schiebetür in ihrer Holzschiene ist noch da. Helmholdt und Vater müssen sie gemeinsam zur Seite drücken, weil sie sich immer wieder in der Laufschiene verkanntet. Sie ist zertrümmert und nach innen gedrückt worden. Weil von außen etwas Schweres dagegen geschlagen hat, vermutlich. Ohne es zu wollen beginnt Thea sich ein Geschöpf vorzustellen das stark wie ein Ochse ist und so groß, dass es im oberen Drittel an eine Tür schlägt statt weiter unten. Mit Kiefern die ein Schafbein mühelos durchbeißen und langen Klauen. Vielleicht könnten es auch Hörner sein.
Sie treten in die Wohnstube. Licht kommt zu einem Loch im Dach herein, wo die Schindeln fehlen und wirft einen gebündelten blasser Sonne an den Dachbalken vorbei. Viel zu sehen gibt es nichts, bis auf ein paar Holzreste von kaputten Möbeln. Vor dem ersten Schnee werden wahrscheinlich auch die fort gebracht werden. Der Geruch vom erkalteten Herd hat etwas Trauriges an sich. Man kann auch die Menschen noch riechen, die hier gewohnt haben. Wie ein Gespenst haftet ihr Geruch in den Schlafnischen und am Stroh in den Wänden. Am Stärksten ist der Geruch von Räucherwerk. Grethe hat Thea gezeigt, wie man ein Haus mit getrocknetem Loorber, Beifuß und Salbei ausräuchert und von bösen Einflüssen reinigt. Hier drin ist er so kräftig, vermutlich hat man die Asche über die Blutflecken gerieben. Sie ist nicht sicher, was sie hier noch Nützliches herausfinden könnten.
Thea dreht sich langsam um zumindest einmal den ganzen Raum angesehen zu haben. Zwischen der halb geöffneten Tür und der Wand klemmt ein gesplittertes Brett. Drum ging sie so schwer auf.
Sie hat zögert, aber die Neugier ist stärker. Das Brett lässt sich mit ein wenig Ruckeln und Wackeln heraus ziehen. Sie geht damit hinaus und sieht sich die kaputten Stellen am Holz an. Als sie die richtige Stelle gefunden hat, hält sie ihr Brett dort hin. Es ist eine Querstrebe. Jetzt kann man erkennen, wie die Stelle aussieht, wo es zerbrochen ist. Mehrere tiefe Löcher sind an der oberen Bruchkante, die in lange parallele Kerben in das Brett auslaufen  Als hätte jemand mit einer Heugabel darauf eingestochen und es dann ausgehebelt. Eine Heugabel mit sehr sehr dicken Zinken.
Sie schaudert und legt das Brett wieder auf den Boden.
Das zerborstene Scheunentor hätte sie sich auch gern angesehen, um ihre Beobachtung zu bestätigen, aber so große Holzstücke sind längst in den umliegenden Höfen verteilt.
Sie sieht sich um und entdeckt Helmholdt ein Stück abseits der Gebäude, wie er einen der Hunde am Kopf kratzt.
"Helmholdt?"
Er erhebt sich hastig und kommt ihr entgegen. "Ja, Herrin?"
"Ich würde gerne mit den Kindern reden, die überlebt haben, während Vater und Gerwaldt sich die Scheune ansehen. Wo sind sie? Doch nicht hier, oder?"
Vehementes Kopfschütteln. "Nein, Herrin! Sie helfen ein kleines Stück weiter, drüben, wo Maren und ihr Mann ihre Herde haben. Wir können zu Fuß hingehen."
Wie es sich für eine junge Herrin gehört, versucht Thea sich ihre Erleichterung darüber, nicht reiten zu müssen nicht anmerken zu lassen und auch nicht ihre Verlegenheit.
"Gut, gehen wir. Ich sage nur schnell dem Baron bescheid."


Die Kinder sind drei, sieben und acht und alle in ordentlichen Kitteln und Holzschuhen gekleidet. Sie sehen auch aus, als hätten ihre Gesichter in jüngerer Vergangenheit zumindest die flüchtige Bekanntschaft von Wasser gemacht. Außerdem sehen sie aus, als habe man sie vors Jüngste Gericht bestellt.
Mit Schafen kennt sich Thea nicht besonders gut aus, außer, dass zur Lammung eine Menge Leute beschäftigt sind und dass sie eine Krankheit bekommen können, die Moderhinke heißt. Da sie nicht weiß, was man auf einer Schafweide erledigen muss, wenn es sich wie mit Ziegen verhält, muss man eigentlich nicht wirklich etwas erledigen, geht sie zu dem Schaf, das den Dreien am nächsten ist und beginnt in dem weichen Fell nach Zecken und Kletten oder dergleichen zu suchen, die sie entfernen kann. Die Wolle sieht filzig aus, aber ihre Hand versinkt darin wie in weicher Watte.
"Mögt ihr mir helfen?"
Versuch nie mit Kindern zu reden, die vor dir aufgestellt sind wie die Orgelpfeifen.
Als die Scheu ein wenig verflogen ist, suchen sie gemeinsam die weichen Schafe nach Zeug ab, das man heraus pulen kann und verfüttern das ein oder andere an die Tiere.
Die Mittlere Tochter, Klara, scheint eine begeisterte Käserin zu sein, also plaudern sie ein wenig über Schafskäse.
Aber früher oder später, muss sie die Fragen stellen, die Vater beantwortet haben möchte. Und, wenn sie ehrlich ist, sie selbst ebenfalls.
"Meine Mutter ist auch gestorben als ich ganz klein war.", versucht sie es behutsam. Natürlich kann man das nicht vergleichen, Thea hat ihre Mutter nie gekannt und außerdem ist sie nicht von einem schrecklichen Ungeheuer zerfleischt worden, während sie in einem Schrank gesessen und zugehört hat.
Aber trotzdem spürt sie ihre Abwesenheit jeden Tag.
Der Jüngste beginnt zu weinen. Thea versucht ihn in den Arm zu nehmen, handelt sich aber einen fiesen Biss in die Hand ein, als der Kleine beginnt um sich zu schlagen und lautstark nach seiner Mutter zu heulen. Die Älteste wirft Thea einen bitterbösen Blick zu und hebt ihren Bruder hoch, herumwirbelnde Fäustchen und alles.
Sieht aus, als würde der Nachmittag noch ein Stück unangenehmer, als sie befürchtet hatte.


Zurück auf dem Hof ist Vater nicht gerade begeistert von ihrer Ausbeute. Er lässt es sich nicht anmerken, aber Thea glaubt, dass er enttäuscht ist.
Schließlich ist sie selbst enttäuscht, dass sich aus dem was die Kinder ihr berichtet haben nichts wirklich Brauchbares herauslesen lässt, außer, dass Räuber, Wölfe und tollwütige Hunde immer noch unwahrscheinlicher werden.
Bis auf eine Sache. Und es ist keine gute Neuigkeit.
"Ein Teil der Schafe war schon in der Nacht davor tot.", berichtet sie, "Der Bauer glaubte es wären tollwütige Wölfe gewesen, weil die Tiere nur gerissen aber nicht gefressen worden sind. Erst in der Nacht darauf ist das Tier wiedergekommen um in die Gebäude einzudringen."
Die gleiche Sorge, die auch sie selbst gepackt hat, steht ihrem Vater auf die Stirn geschrieben, obwohl er sie hinter einem grimmigen Gesicht zu verbergen versucht.
"Zurückgekommen."
Sie nickt beklommen. Soviel zu ihrer großspurigen Versicherung, das Biest würde bestimmt erstmal im Wald bleiben.
"Ein völlig verstörter Tagelöhner, der tags zuvor angekommen ist um bei der Arbeit zu helfen, hat die Kinder dann morgens aus ihrem Versteck geholt und dann überstürzt das Weite gesucht."
Die Leichen waren bereits mit Laken verhüllt und, sie schluckt, zusammengesetzt worden, bevor die Kinder das Gräuel zu Gesicht bekommen konnten. Trotzdem findet sie es ziemlich verantwortungslos die Kleinen einfach in Richtung des nächsten Hofes zu schicken und dann ihrem Schicksal zu überlassen. Andererseits, richtig verübeln kann sie es ihm nicht, dass er fort wollte so schnell ihn seine Beine trugen.
"Gekannt hat ihn wohl niemand, ich habe ein wenig herumgefragt."
Vater zieht misstrauisch die Brauen zusammen. "Wie sah er aus?"
Thea zuckt hilflos die Schultern. "Groß genug um den Kopf einziehen zu müssen. Nervös. Und er hatte keine Hose an."
Den letzen Teil der Beschreibung nimmt Vater mit gehobenen Brauen zur Kenntnis, dann schlägt sein Gesicht in den strengen Befehlsmodus um.
"Schafft mir den Kerl her. Ich will ihn befragen.", trägt er Helmholdt auf.
Der junge Mann ist inzwischen ein einziges Nervenbündel, obwohl sie sich von den Orten des Grauens fortbewegt haben.
"Wir haben keine Ahnung wo er ist, Herr.", stammelt er, "Niemand hat ihn bei sich durchkommen sehen."
"Aber es gibt sonst weit und breit nichts zu Essen für einen Herumtreiber.", überlegt Vater.
Es ist beinahe unheimlich, wie sie alle den Blick zum Wald hin zu vermeiden versuchen. Da drin fände man vielleicht etwas, wenn man verzweifelt genug ist, sich weiter hinein zu wagen.
"In Thal ist ein Rumtreiber gewesen.", unterbricht Gerwaldts dünne Stimme die Stille. Es ist das erste Mal, dass er sich aktiv an der Untersuchung beteiligt.
Thea nickt ihm zu, hält aber dagegen: "Ja, aber das war der kleine Jäger. Der kam die letzten Jahre ab und zu bei uns durch. Der ist nun wirklich nicht groß und eine Hose hatte er soweit ich weiß auch an." Damit sein Beitrag nicht völlig umsonst war fügt sie noch hinzu: "Aber vielleicht hat er ja was gesehen. Wenn er nach Schafbuckel weiter gegangen ist, könnte ein Reiter ihn vielleicht einholen."
Vater nickt düster.
"Reiter müssen wir sowieso auschicken. Bis auf Weiteres herrscht Ausgangssperre für die Nacht. Niemand verlässt die Häuser. Du, Bursche, verkünde das schonmal hier in der Gegend."
Helmholdt nickt erschrocken und läuft los ohne sich zu verabschieden.
Thea sieht ihm nach, wie er mit langen Schritten davon eilt und dabei seinen Hut festhält. Erst jetzt fragt sie sich, warum jemand im November einen Strohhut trägt statt einer Mütze.
"Ich kann auch losreiten."
Thea sieht ihren Bruder überrascht an. Sein blasses Kinn ist vorgeschoben, die Hände, die zu groß für seine dünnen Arme sind, zu Fäusten geballt.
"Ich will etwas tun."
Vater schüttelt sofort den Kopf. "Nein!", sagt er scharf. Dann etwas sanfter: "Es gibt noch anderes zu tun, Sohn."
Gerwaldt lässt geknickt den Kopf sinken, aber seine Fäuste bleiben geballt.
Den Ritt nach Hause schweigen sie, während jeder den eigenen beklommenen Gedanken nachhängt.

Please Login in order to comment!
Nov 18, 2021 09:38

Erst Kartoffel, jetzt die Schafe! Was kommt als nächstes, ein Eselchen?! Dx

Nov 21, 2021 13:30 by Sabina Berenstein

He! Du hast auch schon Lamm gegessen.

Nov 22, 2021 06:19

Ja! Ich hab's gegessen! Diese Schafe sind nicht gegessen. Und Kartoffel auch nicht. Verschwendung!

Nov 22, 2021 16:13 by Sabina Berenstein

u.u

Nov 23, 2021 07:01

Ich werd "Man sollte Kartoffel essen!" nicht los. xD

Nov 23, 2021 13:45 by Sabina Berenstein

Aaaaall the Up-Vote! xD